Großbritannien
Die "Ausgetretenen" - Großbritannien im Fokus

Nach 47 Jahren Mitgliedschaft ist das Vereinigte Königreich (UK) am 31. Jänner 2020 aus der Europäischen Union ausgetreten (Brexit). Seither durchlebt das Land durchwachsene Zeiten.

Serie zur EU-Wahl am 9. Juni

Warum eine Serie zu Europa mit 27 Mitgliedstaaten mit einem Land beginnen, das wieder ausgetreten ist? Nun, negative Stimmen zur EU sind auch in Österreich allgegenwärtig. Doch wie sähe unser Alltag aus, wenn es die Europäische Union nicht gäbe?

Ein Blick zurück

Am 23. Juni 2016 fand im Vereinigten Königreich ein Referendum über die Mitgliedschaft des Landes in der Europäischen Union (EU) statt. Dabei stimmten 52 Prozent der Teilnehmenden für den Austritt, 48 Prozent votierten für den Verbleib. Unmittelbar nach dem erfolgten Austritt begannen im März 2020 die Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen EU-UK.

2024: Ruf nach Wiederannäherung

Im Jänner dieses Jahres ging Londons Bürgermeister Sadiq Khan mit den Ergebnissen einer von ihm beauftragten Studie bei der Beratungsfirma Cambridge Econometrics zu den Auswirkungen des Brexit an die Öffentlichkeit. Dieser zufolge soll sich die Wirtschaftsleistung bis 2035 um zehn Prozent schmälern, die Arbeitsplätze um 3 Millionen schrumpfen (davon etwa 500.000 in London) und die Investitionen um 32 Prozent geringer sein.
 
Bei einer Pressekonferenz stellte Khan in den Raum: "Die harte Version des Brexit, die wir bekommen haben", zieht die britische Wirtschaft nach unten und treibt die Lebenshaltungskosten in die Höhe. "Es ist jetzt offensichtlich, dass der Brexit nicht funktioniert." Gleichzeitig fordert das Londoner Stadtoberhaupt eine Wiederannäherung Großbritanniens an die Europäische Union.

Nicht nur das Gesundheitssystem, viele Sektoren kämpfen damit, dass Logistikketten nicht mehr so reibungslos wie vor dem Brexit funktionieren. Dazu kommt die Verteuerung, einerseits durch Zölle und Grenzkontrolle sowie die schwächere Währung, die nach dem Brexit deutlich abgewertet hat.

Leicht positives Wirtschaftswachstum 2024

Nach Stagnation und Rezession seit 2022 überraschen Frühindikatoren neuerdings positiv: Die Stimmung bei Dienstleistern und Verbrauchern hat sich verbessert. Steigende Reallöhne, Steuersenkungen und ein derzeit gut ausgelasteter Arbeitsmarkt lassen hoffen, dass der neue vorsichtige Schwung auch bleibt. Viele Analysten heben ihre Prognosen leicht an und gehen mittlerweile davon aus, dass sich 2024 ein leicht positives Wachstum ausgehen könnte. Der langfristige Ausblick bleibt dennoch schwach bei rund 1 Prozent p.a. Diese vergleichsweise schwache mittel- bis langfristige Einschätzung ist unter anderem auf die durch den Brexit entstandenen Hemmnisse beim Handel, den Arbeitsmärkten, etc. zurückzuführen.

14 Zinserhöhungen in Folge

Nach einer Phase rasanter Zinserhöhungen mit 14 Zinsschritten seit November 2022 pausiert die Bank of England nun seit dem 4. Quartal 2023. Mittlerweile lässt der Inflationsdruck wieder nach. Sollte das Inflationsziel von 2 Prozent Mitte 2024 erreicht werden können, rückt auch eine erste Zinssenkung in greifbare Nähe.

Arbeitskräftemangel und schlechte Arbeitsverhältnisse

Einhergehend mit der konjunkturellen Abkühlung begann zwar die Nachfrage nach Arbeitskräften in einzelnen Sektoren nachzulassen. Die Kombination aus Rekordhoch an offenen Stellen bei sehr niedriger Arbeitslosenquote, machen aber deutlich, dass nach dem Brexit in einigen Branchen weiterhin ein eklatanter Arbeitskräftemangel herrscht. Dies treibt natürlich das nominelle Lohnwachstum, welches über der Inflationsrate bleibt. Was für die Kaufkraft und Konsumentwicklung positiv sein mag, wirkt sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit aus.

Dabei ist generell die Unzufriedenheit am britischen Arbeitsmarkt jetzt schon hoch. Regelmäßig kommt es zu heftigen Streikwellen, prekäre Arbeitsverhältnisse mit unzureichender Bezahlung bei gleichzeitiger Überlastung spiegeln die „Not“ am Arbeitsmarkt wider.

 

Quellen: statista.at, London's economy after Brexit: Impact and implications - Cambridge Econometrics (camecon.com), bmeia.gv.at, aerztezeitung.de

Stärken Problempunkte
  • hohe F&E-Tätigkeit,
  • bestens entwickelter Kapitalmarkt,
  • wenig regulierte Märkte,
  • hohe Geburtenrate,
  • Weltsprache Englisch,
  • flexibler Arbeitsmarkt
  • Auswirkungen Brexit (FDIs, Arbeitsmarkt),
  • hohe private und öffentliche Verschuldung,
  • hohe Lebenshaltungskosten,
  • relativ große Ungleichverteilung der Vermögen und Einkommen,
  • politische und soziale Spannungen / Abspaltungsbestrebungen,
  • Stadt-Land-Gefälle,
  • Anfälligkeit für Finanzkrise

Stand: Mai 2024
Erstellerin: Mag. Bettina Hametner, Raiffeisenlandesbank Oberösterreich AG

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07.05.2024 - Geldanlage Plus, Volkswirtschaft