Von der Angst, etwas zu verpassen

Trotz einer der schwersten Wirtschaftskrisen seit dem zweiten Weltkrieg stiegen in den vergangenen Monaten viele Anlageklassen. Wie ist das möglich? Die Gründe dafür sind zahlreich. Auch die Psychologie kennt eine mögliche Antwort darauf.

Frühjahr 2020

Die Welt schließt aufgrund der Covid-19 Pandemie ihre Pforten. Und Notenbanken und Regierungen rund um den Globus öffnen ihre Geldschleusen. Auch wenn damit die schlimmsten Szenarien abgewendet werden konnten, haben die Börsen zunächst Federn lassen müssen.

Ein halbes Jahr später

Das Corona-Virus verbreitet sich immer noch. Regelmäßig werden neue Höchststände an weltweit infizierten Personen gemeldet. Doch Rekorde haben sich auch anderswo aufgetan. 

Rallye an den Börsen

Viele renommierte Indizes konnten immer wieder deutliche Zuwächse verbuchen. Ungewohnte Szenarien taten sich auf: Nämlich jene, dass Anlageklassen, die traditionell gegenläufig unterwegs sind - wie etwa Aktien und Gold - plötzlich gleichzeitig gefragt waren. Von Öl und Gold, über Staatsanleihen, sogenannten Junk Bonds (Anleihen von Unternehmen schlechterer Kreditwürdigkeit) bis hin zu Aktien standen sämtliche Anlageklassen auf dem Einkaufszettel der Anleger. Ein derartiges Verhalten widerspricht eigentlich jedem Grundsatz aus den Lehrbüchern.

FOMO = Fear of missing out

Auch wenn es nach wie vor rationale Gründe für aktuelle Börsenhochs gibt (profitable Unternehmen, Politik der Notenbanken, US-Wahlkampf, Aussicht auf Corona-Impfstoff, usw.), spielt dennoch auch die Psychologie der Investorinnen und Investoren eine wichtige Rolle. „Die Angst, etwas zu verpassen“ oder auch „Fear of missing out“ genannt, könnte eine psychologische Begründung für das derzeitige Kaufverhalten der Anlegerinnen und Anleger sein. Unter der Abkürzung „FOMO“ kennt man die Sorge eines Menschen, etwas zu verabsäumen oder nicht mehr auf dem Laufenden zu sein. Dies kann etwa auf die Entwicklung technischer Geräte zutreffen, auf die eigene Präsenz in den sozialen Netzwerken oder eben auch an der Börse. 

Auf den fahrenden Zug aufspringen

Die Börsenpsychologie befasst sich immer wieder mit Anlegern, die mit steigenden Börsen liebäugeln und möglicherweise deswegen überstürzte Kaufentscheidungen treffen. Sie springen spontan auf den fahrenden Zug auf. Ob der Zug aber in dieser Geschwindigkeit weiterfährt, oder ob er schon zu schnell unterwegs ist und es zu einer Notbremsung kommt, weiß im Voraus niemand.

Profis wie Warren Buffett mahnen zur Vorsicht und legen eher Wert auf eine strategische Ausrichtung von Portfolios. Buffetts Philosophie lautet: „Sei gierig, wenn andere vorsichtig sind. Sei vorsichtig, wenn andere gierig sind.“ Und, ebenfalls ein berühmtes Zitat: „Der dümmste Grund eine Aktie zu kaufen, ist, weil sie steigt.“

Dieses Mal entschied sich der Börsenguru übrigens für den Mittelweg. An seinen bestehenden Investments hält er fest, von großen Zukäufen sieht er ab. An der „Fear of missing out“ scheint Warren Buffett jedenfalls nicht zu leiden. 

07.09.2020 - Börsenpsychologie